18.12.11

Cast your eyes on the ocean
Cast your soul to the sea
When the dark night seems endless
Please remember me


Dante's Prayer
Loreena McKennit

14.12.11

merlin und die elfe

vielleicht war er nur ausgegangen, um ein wenig frische luft zu schnappen. hungrig konnte er nicht sein, nach den portionen zu urteilen, die er heute abend noch verdrückt hatte. ich weiss nur eins: als mein kater heute abend ausging, war er allein und als er zurückkam, hatte er eine winzige gestalt in seinen pfoten.
"pfui" rief ich - etwas, das bei katzen so gut wie gar keine reaktion hervorruft, so auch in diesem speziellen fall - er wackelte nicht einmal mit den ohren.
geradezu verliebt sah er drein und wenn katzen lächeln konnten, woran ich nicht im geringsten zweifelte, dann lächelte er gerade sein schönstes katzenlächeln. er sah auf das wesen herunter, das er gerade im garten gefangen hatte. ich hielt es noch immer für einen dieser erbarmungswürdigen kleinen singvögel, die zu jung waren, um rechtzeitig die flucht zu ergreifen, wenn er angeschlichen kam. erwachsene, lebenserfahrene vögel hatte er so gut wie nie angeschleppt - die sassen weit über ihm in den büschen und schimpften auf ihn herunter und er schimpfte hinauf - und so gut ich sein talent zu jagen auch einschätzte, gab ich ihm doch kaum chancen, jemals einen dieser abgeklärten zyniker von singvogel zu erwischen.

dieses geschöpf jedoch hatte nur die grösse eines ausgewachsenen vogels. es lag einigermassen groggy in seinen pfoten und bewegte sich kaum, nur die flügel zuckten leicht. mein kater sah erwartungsvoll zu mir auf. anscheind wollte er mir das wesen zeigen oder er hatte wieder mal ein geschenk für mich. er war oft so gütig, mir kleine erbeutete tiere zu verehren und schien immer wie vom blitz getroffen, da ich so wenig dankbarkeit zeigte, doch - wie katzen eben so sind, gab er seine hoffnung nicht auf, auch mich eines tages zu erziehen und mich endlich zu einer zwar nicht vollwertigen katze, aber zu etwas ähnlichem zu machen...einem etwas, das winzige tierchen nicht angewidert nach draussen brachte und vergrub, sondern sich mit feuereifer darauf stürzen und sie verschlingen würde. doch bis es so war, waren seine geschenke an mich völlig vergeblich. ich bin nicht der grosse eichhörnchen-fanatiker, muss ich dazu sagen, aber wenn er einmal einen fisch fangen würde, sähe das ganze wohl völlig anders aus - nur sollte der fisch dann noch einigermassen gut aussehen - also ein ding der unmöglichkeit.
mein kater sass vor mir und sah mich mit kugelrunden augen an. seine beute schien wieder völlig wach zu sein , denn sie begann, zu zappeln und sich gegen seinen griff zu wehren. und er tat etwas, was ungewöhnlich war.
er schaute nur und lächelte sein verliebtes katerlächeln.

ich bückte mich zu ihm herunter und nahm seine beute näher in augenschein. ein vogel war es nicht, aber was es genau war, konnte ich nicht feststellen. momentan sah es so aus, als hätte freund kater eine kleine milchig-weisse wolke gefangen. was mich nicht allzusehr verwunderte - er hatte augen für solche dinge. ja, man konnte ihm eine gewisse okkulte begabung nicht absprechen - darum hiess er ja auch merlin. er hatte seit seiner jugend sonderbare dinge bewirkt...was mir durchaus recht war, denn das okkulte war ja immer noch eine art steckenpferd von mir - ebenfalls seit frühester jugend.
jeder mensch findet die katze, die zu ihm gehört, so heisst es, und in diesem fall hatte merlin ja mich gefunden, aber davon erzähle ich lieber ein anderes mal, sonst weichen wir noch mehr vom thema ab. nur eins noch: ich hatte lange auf ihn gewartet, und als katzenfreund war es mir nicht gerade leichtgefallen, der pelzigen versuchung in form von unzähligen katzenbabies zu widerstehen, die auf den bauernhöfen in der gegend zur welt kamen - ich hätte sie körbeweise mitnehmen können, wenn nicht dieses gefühl gewesen wäre - warte noch ein wenig, er wird erst geboren. also hatte ich gewartet, auf merlin.

besagter merlin betrachtete stolz seinen fund und gab ein leises schnurren von sich. ich war zwar einiges von ihm gewöhnt, aber das hier übertraf bei weitem alles. ein winziges wesen sass mitten in der wolke und sah ungläubig zu mir auf, dann spähte es misstraurisch in alle ecken der küche. es war eindeutig kein vogel, aber es hatte flügel. schmetterlingsflügel, stellte ich benommen fest. und arme und beine. ein winziges schmales gesicht, umrahmt von silbernem haar, grosse, veilchenviolette augen und einen winzigen mund, aus dem spitze töne drangen - es klang sehr nach protest. es handelte sich eindeutig um eine elfe und zwar um ein besonders schönes exemplar. sie war noch sehr jung und unerfahren, sonst hätte mein kater sie wohl kaum erwischt - elfen sind um einiges schneller als vögel und da sie auch noch extrem misstraurisch sind, stehen die chancen, eine zu fangen, gleich null.

die situation war brenzlig. man sollte sich mit wesen dieses volkes nie schlecht stellen und dieses wesen hier war zwar jung, aber dennoch eine elfe, und ausserdem hatte sie sicher eine familie, die sie schon vermisste und suchen würde. also konnte man eigentlich nur eins machen: das geschöpf so gut es ging zu bewirten und den ganzen vorfall als besuch einer überirdischen einstufen - sie war keine beute, sondern eher merlins unfreiwilliger gast und jetzt auch zu meinem geworden.
sie war inzwischen merlins griff entschlüpft und kletterte behende auf den regalen herum wie eine eidechse, nahm dies zur hand, dann jenes, und konnte anscheinend einiges davon gut gebrauchen. als ich ihr verhalten beobachtete, wurde mir schnell klar, dass sie noch ein rechtes kind war.
sie grapschte nach dem bonbon-glas und hätte es beinah geschafft, darunter begraben zu werden. flink sprang ich hinzu und verhinderte ein grösseres unglück. elfe von bonbonglas erschlagen - ich sah die schlagzeilen vor meinem inneren auge und konnte mich eines lachens nicht erwehren. sie setzte sich auf den rand des regals, bekam ganz runde augen und begann dann, ebenfalls zu lachen. ein süsses kind, sie lachte und lachte und hörte erst damit auf , als ich ihr ein fruchtbonbon vors gesicht hielt.
zugegeben - ich hatte nicht die geringste ahnung, wie man eine elfe füttert. ich hielt das bonbon so, als würde ich einem pferd ein stückchen zucker geben. sie verstand aber recht schnell, griff eilig danach, erst schnupperte sie ein wenig, dann leckte sie ein bisschen daran, und versuchte dann, sich das ganze bonbon in den mund zu stecken. es war natürlich viel zu gross für sie.
bei diesem anblick kamen mir meine kindlichen träume von riesengrossen süssigkeiten in den sinn. gigantische schokotafeln und fruchtgummis, lollipops wie baumstämme, glitzernde berge von kandis, türkischer honig wie die weissen gipfel des mount everest.
genauso musste es meiner elfe gerade gehen. sie sah überglücklich aus....

sie futterte ihr bonbon und sah sich mit neugierigen augen um. und genau dieser blick sagte mir, dass noch einiges auf uns zukommen würde, auf merlin und mich...